Dagmar Glüxam: "Aus der Seele muß man spielen ..." Über die Affekttheorie in der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre Auswirkung auf die Interpretation, Wien: Hollitzer Verlag, 2020, 952 S., 17 x 24 cm, Deutsch, Hardcover
ISBN 978-3-99012-623-3 (hbk) € 198,00
ISBN 978-3-99012-624-0 (pdf) € 197,99
"Aus der Seele muß man spielen ..."
Über die Affekttheorie in der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre Auswirkung auf die Interpretation
Dagmar Glüxam legt mit diesem Band, einem Nachschlagewerk für alle Interpreten und Musiklehrenden, die erste umfassende Beschreibung und Analyse der sogenannten Affekttheorie für Verständnis und Interpretation der Musik ab ca. 1600 bis Anfang des 19. Jahrhunderts vor.
Anhand von zahlreichen musikhistorischen Dokumenten wird gezeigt, dass es tatsächlich nicht möglich ist, fundierte interpretatorische Entscheidungen in Hinsicht auf Tempo, Artikulation, Dynamik oder Ornamentik zu treffen, ohne den jeweiligen „Affekt“ der Komposition zu kennen. Mit Hilfe dieser Anleitung kann der häufige interpretatorische Ansatz „man spielt es so“ kritisch hinterfragt werden.
Dieses Buch eröffnet völlig neue interpretatorische Horizonte in Hinblick auf Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadé Mozart, Joseph Haydn oder Ludwig van Beethoven.
INHALT
Einführung
„Aus der Seele muß man spielen, und nicht wie ein
abgerichteter Vogel …“
Der Komponist steht im Vordergrund
Die vermittelnde Rolle des Interpreten
Der Notentext und seine symbolische (Affekt-)botschaft
Die zentrale Rolle der Nachahmung nach dem Prinzip der
Analogie
Die etwas andere Art des „richtigen“ Notenlesens
Wie arbeitet man mit diesem Buch?
Woher bekommen wir die Information?
Musiktheoretische Werke – Musiklexika – Lehrwerke – Sekundärliteratur
Teil I
Historische Grundlagen der Affektdarstellung in der Musik
Zu den Begriffen Affekt, Leidenschaft, Gemütsbewegung,
Empfindung, Gefühl, Charakter
Affect / Affekt / Leidenschaft
Empfindung, Gefühl
Character / Charakter
Die Musik und ihre Wirkung: ein kurzer geschichtlicher
Überblick
Antike
Redekunst und Affekt
Mittelalter
Renaissance
Die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts
Die „wunderbaren“ Wirkungen der Musik
Wie wirkt Musik?
Musik als Nachahmung der „Natur“
Nachahmung nach dem Prinzip der Analogie
Nachahmung versus Ausdruck?
„Ausdruck“ nach dem Prinzip der analogen Nachahmung
Musik als Nachahmung der Sprache
Über die besonders starke affekterregende Wirkung der
textgebundenen Musik
Instrumentalmusik und Affekt
Instrumentalmusik als Nachahmung des Gesangs
Der Text als treibende Kraft des Ausdrucks in der
Instrumentalmusik
Musik und Rhetorik
Rhetorik und musikalischer Vortrag
Musikalische Darstellung der Affekte nach dem Prinzip der
Analogie
Haupt- und Nebenaffekte
Übersicht der Affekte
Liebe – Verlangen – Zärtlichkeit – Die Empfindungen des Anmutigen und Lieblichen – Das „Niedliche“ – Ruhe, Zufriedenheit, das „Angenehme“ – Unschuld – Wollust – Schmerz, Trauer, Melancholie – Missvergnügen – Verzweiflung – Freude – Fröhlichkeit – Lachen / Weinen – Furcht – Zweifel, Wankelmut – Mitleid, Erbarmen – Trost – Hoffnung – Stolz und Hochmut – Demut, Geduld – Ungeduld – Mut – Feigheit – Zorn, Rache, Gewalt – Wut und Raserei – Hass, Kaltsinn – Eifersucht – Neid – Reue – Das Pathetische, Erhabene, Prächtige – Das „Große“ – „Ehrbegierde“, „Liebe zum Ruhm“ (Ehrliebe, Ehrgeiz) – Schamhaftigkeit – Sorglosigkeit – Verspottung und Ironie
Teil II
Das Erkennen von Affekten
Wie lassen sich Affekte erkennen?
Kurzer historischer Überblick über Aussagen zur
Affekterkennung
Stil
Allgemeines
Drei wichtige Kategorien: der Kirchen-, der Theater- und der
Kammerstil
Kirchenstil
Theaterstil
Kammerstil
Die Auswirkung des Stils auf die Interpretation
Nationalstil
Hohe, mittlere, niedrige Schreibart
Die Auswirkung der hohen, der mittleren und
der niedrigen Schreibart auf Affekterkennung und Vortrag
Gattungen, Formen
Allgemeines
Vokalinstrumentale Musik
Oper – Pastorale – Oratorium – Kantate – Arie – (Arien-)Ritornell – Arioso – Rezitativ –
Chor – Lied – Choral
Instrumentalmusik
Ouverture – Sinfonia, Sinfonie, Symphonie – Intrada – Concerto grosso / Concerto / Konzert – Divertimento – Marche – Rondeau – Saltarella – Serenata, Serenada – Solo – Sonata, Sonate – Fantasie – Fuga – Lamento, Lamentatione – Romanze – Orgelvor- und -zwischenspiele
Instrumentalmusik – Tanzsätze
Übersicht der Tänze (alphabetisch)
Allemanda, Allemande – Bourrée – Bransle / Branle – Canarie – Chaconne, Ciacona – Courante – Entrée – Folie d’Espagne – Forlane – Furie – Galliarda, Galliarde – Gavotte – Gigue – Ländler – Loure – Menuett – Musette – Passacaille, Passacaglia – Passamezzo – Passepied – Pastorale – Pavane / Paduana – Polonaise – Rigaudon – Sarabande – Siciliano – Tambourin – Villanella
Tonart
Allgemeines
Kirchentonarten
Charakteristiken der einzelnen Kirchentonarten
Dur-Moll-Tonarten
Drei Aspekte der Tonartencharakteristika
Charakteristiken der einzelnen Dur- und Moll-Tonarten
C-Dur – G-Dur – D-Dur – A-Dur – E-Dur – H-Dur – Gis-Dur – a-Moll – e-Moll – h-Moll – fis-Moll – as-Moll / gis-Moll – cis-Moll – F-Dur – B-Dur – Es-Dur – As-Dur – Des-Dur / Cis-Dur – Ges-Dur / Fis-Dur – d-Moll – g-Moll – c-Moll – f-Moll – b-Moll – es-Moll
Das Prinzip der „Reinheit“ als Hilfe zur Bestimmung
des (Affekt-)Charakters einer Tonart
Melodie
Allgemeines
Melodie als Nachahmung: das Analogieprinzip
Tonlage
Höhe der Stimmung
Intervalle
Intervallschritt, Intervallsprung / Gradus, saltus
Terminologischer Exkurs
Intervallsymbolik
Übersicht der einzelnen Intervalle
Kleine Sekund – Die Position der kleinen Sekund als bestimmend für den affektiven Charakter verschiedener Tonfolgen – Chromatische Fortschreitungen – Große Sekund – Verminderte Terz, kleine Terz – Große Terz – Quarte – Übermäßige Quarte – Quinte – Kleine Sexte – Große Sexte – Septime – Oktav
Melodierichtung
Anabasis – catabasis – Circulatio
Melodieumfang
Hyperbole – hypobole
Regelmäßigkeit / Unregelmäßigkeit des melodischen Verlaufs
Rhythmus
Allgemeines
Der symbolische Wert der Notenwerte
Verbindung von Melodie und Rhythmus
Verschiedene Formen von Tonrepetitionen
Repetierte Sechzehntelnoten – genere (stile) concitato – Repetierte Achtelnoten
Rhythmische Bewegung in Kombination mit melodischer
Bewegung
Sekundwiederholungen, Triller – Die sog. „wesentlichen“ Manieren – Verschiedene Intervalle in Verbindung mit kurzen Notenwerten als Ausdruck von heftigen oder flüchtigen Affekten – Exclamatio – Tirata – Passagien – Fuga – Gebrochene Akkorde – Passagen bzw. gebrochene Akkorde mit Bindebögen – Akkordzerlegungen
Punktierter Rhythmus
Punktierte Rhythmen in Kombination mit Bindebögen – Der unterschiedliche Vortrag der
punktierten Rhythmen – Der sog. „lombardische“ Rhythmus und sein Vortrag
Versfüße
Die Charakteristik der einzelnen Versfüße
Zweisilbige Versfüße – Spondäus – Pyrrhichius – Jambus –Trochäus
Dreisilbige Versfüße – Anapäst – Daktylus – Tribrachys – Molossus – Bacchius – Amphimacer – Amphibrachys – Palymbacchius
Viersilbige Versfüße – Pæon – Epitritus – Jonicus, a majori; Jonicus, a minori
Pausen
Suspiratio, stenasmos – Tmesis – Pausa generalis, aposiopesis – Fermata – Dubitatio – Abruptio – Ellipsis
Rhythmische Regelmäßigkeit – Unregelmäßigkeit
Zum Vortrag der unterschiedlichen Notenwerte
Tempo, Bewegung
Allgemeines
Tempo (Bewegung) und Affekt
Tempo (Bewegung) und das Prinzip der analogen Nachahmung
Kompositionen ohne Tempoangaben
Tempo giusto
Kompositionen mit Tempo- / Charakterangaben
Tempoangaben als Verdeutlichung oder Abweichung von der „Norm“ – Tempoangaben als Charakterangaben – Adagio, presto und tardo als Tempoangaben – Allegro, vivace als Charakterangaben – Verwandlung der Charakterangaben in Tempoangaben
Zwei grundlegende Bewegungstypen – adagio und allegro
Adagio – Allegro
Plötzlicher Tempowechsel als Ausdruck von
Gefühlsschwankungen oder Eifersucht
Die beschränkte Aussagekraft von Tempoangaben
Das richtige „Gefühl“ als unverzichtbare Voraussetzung für die
richtige Tempowahl
J. G. Portmann und seine Anleitung zum Empfinden verschiedener Affekte
Die Rolle der „Deutlichkeit“ und „Verständlichkeit“ bei der
Tempobestimmung
Stimmen gegen zu schnelles Tempo bzw. Tempoextreme – Extremes Tempo als Ausdruck von extremen Gefühlen
Agogik, Tempo rubato
Affekte, die nach Temposchwankungen verlangen – Konkrete Hinweise zur Anwendung affektbedingter Temposchwankungen – Ad 1) Charakter des musikalischen Satzes, Stil, Gattung – Ad 2) Melodische und rhythmische Kontraste – Ad 3) Verzierungen – Ad 4) Wiederholungen – Ad 5) Crescendo – decrescendo – D. G. Türk über das „Eilen“ und das „Zögern“ – Tempo rubato
Takt
Allgemeines
Der Takt als wichtiger Hinweis auf den Affekt
Ad 1) Der gerade / ungerade Takt
Ad 2) Die einzelnen Taktarten als Hinweise auf die
Art der Bewegung
Ad 3) Takt und vorherrschende Notenwerte der Komposition
Modifikation der Bedeutung der Taktart durch Tempoangabe
Übersicht der Taktarten
Der gerade Takt – 2/1-Takt – 2-Takt, -Takt, -Takt, 2/2-Takt – 4/2-Takt, -Takt, 4-Takt – 2/4-Takt, -Takt - -Takt, 4/4-Takt – Alla breve-Takt () – 8/4-Takt – 2/8-Takt – 4/8-Takt – 4/16-Takt – 8/8-Takt – 8/16-Takt
6/1-Takt – 6/2-Takt – 6/4-Takt – 6/8-Takt – 6/16-Takt
12/1-Takt – 12/2-Takt – 12/4-Takt – 12/8-Takt – 12/16-Takt – 18/16-Takt – 24/16-Takt
Der ungerade Takt – 3-Takt – 3/1-Takt – 3/2-Takt – 3/4-Takt – 3/8-Takt – 3/16-Takt
9/1-Takt – 9/2-Takt -9/4-Takt – 9/8-Takt – 9/16-Takt
Taktordnung. Die Bedeutung der Synkope
Harmonie
Allgemeines
Die besonders affekterregende Kraft von Dissonanzen
Pathopoiea – Parrhesia, relatio non harmonica – Catachresis, fauxbordon – Verschiedene Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt der Komposition – Häufigkeit von Dissonanzen als Hinweis auf den Affekt
Modulation
Modulation und Affekt – Dubitatio – Modulation im Rezitativ
Sonderfall Unisono
Dynamik
Allgemeines
Dynamik und Affekt
Dynamische Nuancen als Folge nuancierter Affektdarstellung
Die Dynamik und das Prinzip der analogen Nachahmung
Con sordino
Kompositionen ohne dynamische Angaben
„Komponierte Dynamik“ – Mehrstimmige Klänge als Form der Akzentuierung – Der melodische Verlauf als Hinweis auf dynamische Schattierungen – Anabasis – catabasis – Circulatio – Saltus, saltus duriusculus – Exclamatio – Interrogatio – Arpeggien
Dynamische Extreme als Ausdruck extremer Empfindungen
Nachdruck als dynamische Kategorie
Akzente – Vortragsangaben und Nachdruck
Wie lassen sich wichtige Töne (Figuren) erkennen?
a) Harmonische Hervorhebung
Harmoniefremde Töne – Verzierungen – Modulationen
b) Rhythmische Hervorhebung
Lange Töne innerhalb schneller Passagen – Kurze Töne innerhalb langsamer Passagen – Synkopen, Ligaturen
c) Melodische Hervorhebung
d) „Verweilen“ als weitere Verstärkung der dynamischen
Akzentuierung
Suspensio
e) Wiederholungsfiguren
Anaphora, repetitio – Wiederholung als Echo – Epizeuxis – Anadiplosis – Paronomasia – Climax (griech.) bzw. gradatio (lat.) – Hyperbaton – Epistrophe
f) Antithesis, antitheton
g) Noema
Dynamische Angaben als Hilfe zur Affekterkennung
Aufführungsort, Anlass und Dynamik
Artikulation
Allgemeines
Artikulation und Affekt
Sprache als Vorbild – Eine „vernünftige“ – dem Affekt entsprechende – Wahl der Artikulation
Die Artikulation und das Prinzip der analogen Nachahmung
Die An- und Aussprache der Töne
Tongebung, Tongestaltung
Der Vortrag der Auftakte – Der „leichte“ und der „schwere“ Vortrag
Kompositionen oder Abschnitte ohne Artikulationszeichen
Die Melodie als Affektträger: die Artikulation
von „Schritten“ und „Sprüngen“
Drei Möglichkeiten der Artikulation: gezogen, geschleift,
gestoßen
Schritte und Sprünge und musikalisch-rhetorische Figuren bzw. Verzierungen – Sprünge als Hinweise auf eine innere Gliederung – Schritte und Sprünge als Hinweise auf Affektwechsel
Das Binden und Trennen der Töne – Strich, Punkt, Bindebogen
Artikulation und Verzierungen
Der Bindebogen
Die mildernde Wirkung des Bindebogens – Seufzerfiguren – Intensivierte Seufzerfiguren – Viererbindungen als Nachahmung von Meereswellen – Bindebogen über dem Taktstrich – Unregelmäßige Länge der Bindebögen / unregelmäßige Artikulation
Das Trennen der Töne
Strich und Punkt – Unterschiede zwischen den Instrumenten – Unterschiedliche Arten der getrennten / gestoßenen Artikulation und der Affekt
Scharfe Stimmen gegen den willkürlichen Umgang mit der
Artikulation
Ergänzungen von Artikulationsangaben – (Unangebrachtes) Ergänzen von Bindebögen –
Punktierte Rhythmen – (Unangebrachtes) Ergänzen von Punkten und Strichen bzw. „hüpfende“, „springende“ Spielweise
Verzierungen
Allgemeines
Verzierung und Affekt
Verzierungen und das Prinzip der analogen Nachahmung
Anmerkungen zum Vibrato, Triller und mordent – Vibrato und Affekt
Kritische Stimmen gegen zu viele Verzierungen
Verzierungen im Adagio
Wo sind keine Verzierungen angebracht?
(Keine!) Verzierungen im Rezitativ
Kadenzen und Fermaten
Besetzung, Instrumentation
Allgemeines
Die Besetzungsgröße und das Prinzip der analogen Nachahmung
Bassetto-Technik
Die Instrumentenwahl und das Prinzip der analogen Nachahmung
Saiteninstrumente
Laute – Viola da gamba – Viola d’amore, Baryton – Violine – Viola da braccio – Violoncello – Violone / Kontrabass
Blasinstrumente
Flöte, Traversflöte – Flageolet, Pfeifen, Pfiffari – Oboe – Chalumeau – Klarinette – Zink – Fagott – Horn – Trompete – Pauken, Trommel – Posaunen
Tasteninstrumente
Cembalo – Orgel – Orgelregister
Über den sog. „guten Vortrag“
Die Wichtigkeit des „Sich-Hineinversetzens“ in den Affekt
Stimmen gegen Virtuosität als Selbstzweck
Zusammenfassung
Die Feststellung des Affekts als erster Schritt der Interpretation
Analyse des Notentextes nach den Prinzipien der analogen
Nachahmung
Vortrag
Bibliographie
Ausgaben
Quellen
Sekundärliteratur
Personenregister
Dank
Biographie der Autorin