Andreas Holzer, herausgegeben von Manfred Permoser: Zur Kategorie der Form in neuer Musik, Wien: Mille Tre Verlag, 2011 (Musikkontext 5), 604 S., 17 x 23,5 cm, Deutsch, Softcover
ISBN 978-3-900198-24-4 (pbk) € 63,80
Zur Kategorie der Form in neuer Musik
Die kompositionsrechnischen und ästhetischen Diskurse des 20. Jahrhunderts sind von der Musiktheorie kaum aufgegriffen worden. Zwar liegen zahlreiche analytische Untersucheurngen über Einzelwerke – oder allenfalls Werkgruppen – vor; Versuche, über diese punktuellen Beobachtungen hinaus nach übergreifenden Strategien zu fragen, sind bislang vergleichsweise selten geblieben.
In diesem Buch wird die Kategorie der Form im Kontext neuer Musik mittels ästhetischer, philosophischer und analytischer Perspektiven ins Auge gefasst. Die analytischen Untersuchungen sind auch auf das Herausarbeiten theoretisch abstrahierbarer, übergeordneter Prinzipien der Formbildung ausgerichtet. Entgegen so mancher Behauptung der jüngeren Vergangenheit steht hinter dieser Abhandlung die Überzeugung, dass – trotz aller Erschütterungen des Werk- und Formbegriffs – auch am Beginn des 21. Jahrhunderts die Kategorie der Form keineswegs obsolet ist
INHALT
Vorwort des Herausgebers
Einleitung
I) ›Material‹ – ›Struktur‹ – ›Form‹ – ›Werk‹: Zum Bedeutungsspektrum der Begriffe
1) Material
a) Vor Adorno
b) Adorno
c) Nach Adorno
2) Struktur
3) Form
a) Bedeutungsebenen des Begriffs
b) Formenlehren im 20. Jahrhundert
4) Werk
II) Form und Sinn: Philosophische und kunsttheoretische Positionen
Vorbemerkungen
1) ›Amerikanischer Transzendentalismus‹: »…« statt Form
a) Ralph Waldo Emerson: »Potentiality« statt Form
b) Henry David Thoreau: »Epiphanic moments« statt Form
c) Charles Ives: »Substance« statt Form
d) John Cage: »Continuity« statt Form
2) ›Russischer Formalismus‹: Form als Brechung des Gewohnten
3) Theodor W. Adorno: Form als »Sediment«
4) Umberto Eco: Form als »Komplement«
5) Niklas Luhmann: Form als »marked space«
- Luhmann und Bourdieu: Konvergenzen und Divergenzen
6) Marginalia zu postmodernen Konzeptionen
»Abwesenheit« von Form? ◉ Form als Produkt einer »generativ-destruktiven Ästhetik«? ◉ Form
als »Oberflächendesign«?
III) Ästhetische Positionen
1) Form jenseits von Tonalität: Neue Musik nach 1910
a) Zum Einstieg: „Vollständige Befreiung von allen Formen?“
Briefwechsel Schönberg – Busoni ◉ Busonis »Entwurf«
b) »Musiktheorie der Theoretiker« –
»Musiktheorie der Komponisten«
Kurth ◉ Assafiew ◉ Mersmann ◉ Bekker/Debussy ◉ Satie ◉ Strawinsky ◉ Bartók
- Nicolaj Roslavec
- Edgar Varèse
- Der Schönberg-Kreis
c) »Organismus« und »Natur« als Instanzen musiktheoretischer und -ästhetischer Konzepte
2) „Wo keine Formen mehr sind, muss alles zu Form werden“:
Neue Musik nach 1950
a) Darmstadt: Vom Lokalen zum Globalen –
Form als bloßes Resultat?
Stockhausens Form-Konzeptionen ◉ Adorno: Das Altern der neuen Musik ◉ Boulez: »Formanten«
b) Perspektivenwechsel: Dominanz des Globalen – Form und Raum
Ligeti: »Textur« statt »Struktur« ◉ Dominanz des Klanglichen ◉ Form-Kongress in Darmstadt 1965
c) Morton Feldman: Musik als »Zeit-Leinwand«, Form als Prozess
Empirie statt Verfahren ◉ »im Klang sein...« ◉ »Nicht-Relationalität«
d) Offene Formbildung
Begriffsgewirr: offene/mobile/variable/vieldeutige Form, Aleatorik, Zufall …◉ Adorno: »musique
informelle« ◉ Eco: »opera aperta«
- Die Skeptiker
Nono ◉ Boulez ◉ Boehmer
- Die Befürworter
Brown ◉ Cage
e) Mathematik und Form, Computermusik
Krenek ◉ Xenakis: Formalized Music ◉ Tenney ◉ Johnson ◉ Barlow ◉ Kyburz
f) Improvisation und Form
3) »Anything goes« – oder doch nicht? –
Zur Kategorie der Form in der jüngeren Vergangenheit
a) Blick aus der Vogelperspektive
b) ›Postmoderne‹: Befreiung oder Regression?
Kritik an der Avantgarde ◉ »Materialfetischismus«? ◉ Rihm: »inclusives Komponieren«
c) Revitalisierung von intersubjektiven Maßstäben
- »Dialektischer Strukturalismus«
Lachenmann ◉ Spahlinger
- »Komplexismus«
Ferneyhough ◉ Mahnkopf: »Poly-Werk«
- »Spektralismus«
»Groupe l’Itinéraire« ◉ Wieder: »Organismus«-Modell ◉ Höller: »Gestaltkomposition«
- »Dekonstruktivismus«
Nochmals: Mahnkopf ◉ Seubold: »generativ-destruktive Ästhetik«
d) Aspekte der aktuellen Situation: (Weiterer) Bedeutungsverlust der Kategorie Form?
- Musiktheoretische Diskurse
Darmstadt 1992 ◉ Graz 1999 ◉ MusikTheorie 2007
- Marginalia zur aktuellen kompositorischen Vielfalt
Boulez/Hermann: Plädoyer für Form ◉ »Philosophische Andockung« ◉ Weiterwirken von
älteren Traditionen ◉ Klanglandschaften/Klanginstallationen/Konzeptkunst …
IV) Analytische Einblicke
Vorbemerkungen
a) Zur Terminologie
b) Methodische Aspekte – Bedingungen der Analyse
c) Zu den Prinzipien der Formbildung
A) Einzelanalysen
1) Claude Debussy: Syrinx (1913)
2) Alban Berg: Vier Stücke für Klarinette und Klavier op. 5 (1913): 1. Stück
3) Anton Webern: Drei kleine Stücke op. 11 für Violoncello und Klavier: 1. Stück (1914)
4) Béla Bartók: 2. Streichquartett op. 17: 3. Satz (1917)
5) Igor Strawinsky: Octuor pour instruments à vent: 1. Satz (1922/23)
6) Edgar Varèse: Octandre: 1. Satz (1923)
7) Arnold Schönberg – Statt einer Analyse: Zwölftontechnik und Form/Formbildung
Zum aktuellen Diskurs ◉ Differenzierung der Fragestellung ◉ Argumentationsstränge ◉ Resümee
8) Pierre Boulez: Le marteau sans maître (1953–55), 7. Stück: Après »l’artisanat furieux«
9) Helmut Lachenmann: Wiegenmusik für Klavier (1963)
10) Luciano Berio: Sequenza V für Posaune (1965)
11) Galina Ustwolskaja: Komposition I: Dona nobis pacem (1970/71)
12) Morton Feldman: Principal sound für Orgel (1980)
13) Isabel Mundry: Spiegel Bilder für Klarinette in B und Akkordeon (1996)
B) Prinzipien der Formbildung als Strategien künstlerische Handelns
1) Polare Spannungsfelder als übergeordnete Kategorien
a) Statik/Disposition – Dynamik/Entwicklung
b) Architektur/Raum – Zeitlichkeit
c) Kontinuität/Integration – Diskontinuität/Disintegration
d) Form »von Außen«/»Gestische« Form – Form »von Innen«/Form »ohne Geste«
2) Zum Weiterwirken traditioneller Formprinzipien
Sonatensatzform bei: Schönberg ◉ Webern ◉ Strawinsky ◉ Skrjabin ◉ Roslavec ◉ Varèse
3) Zur formalen Relevanz ehemals »sekundärer Kategorien«:
»Hüllkurven« und »Signale« durch Rhythmus, Tempo,
Dynamik, Dichte, Ambitus, Artikulation
Berg ◉ Webern ◉ Evangelisti ◉ Debussy ◉ Stockhausen ◉ Ligeti ◉ Scelsi ◉ Xenakis ◉ Tenney ◉ Spahlinger ◉
Berio
4) Spezifische Prinzipien/Strategien
a) Proportion: Symmetrie, Goldener Schnitt
Berg ◉ Webern ◉ Debussy ◉ Bartók ◉ Olofsson ◉ Gubaidulina ◉ Goeyvaerts ◉ Stockhausen ◉ Johnson ◉
Nancarrow ◉ Xenakis ◉ Nono
b) Reihung
Addition/Gruppierung
Strawinsky ◉ Varèse ◉ Messiaen
Verkettung/Alliteration/Anknüpfung
Lutoslawski ◉ Feldman ◉ Olofsson ◉ Kyburz ◉ Berio ◉ Globocar ◉ Haas
Mobile Segmente
Evangelisti ◉ Stockhausen ◉ Brown ◉ Cage ◉ Spahlinger
Fragmentierung/»Verinselung«
Boulez ◉ Nono
c) Raumvorstellungen
Varèse ◉ Webern ◉ Stockhausen ◉ Schnebel ◉ Hölszky ◉ Mundry ◉ O. Neuwirth
d) Schichtung
Zeitschichten/Materialschichten/Klangschichten
Ives ◉ Strawinsky ◉ Messiaen ◉ Carter ◉ Zender ◉ Mundry ◉ Zimmermann ◉ Sciarrino ◉ Ligeti ◉ Hölszky
Werkschichten(»Polywerk«)
Platz ◉ Mahnkopf ◉ Globocar
e) Collage, Montage
Ives ◉ Zimmermann ◉ Stockhausen ◉ Ferrari
f) »Alles in Einem«/Strukturnetze/Holon
Skrjabin ◉ Cowell ◉ Webern ◉ Pousseur ◉ Carter ◉ Grisey ◉ Höller ◉ Zender ◉ Stockhausen
g) Transformation
Transformation von Texturen
Ligeti ◉ Penderecki ◉ Marbe ◉ Xenakis ◉ Berio ◉ Murail ◉ Grisey ◉ Saariaho ◉ Feldman
Prozessuale Stränge/Stranggeflecht
Lachenmann ◉ Spahlinger ◉ Sciarrino
h) Rhizom
Ferneyhough ◉ Mahnkopf ◉ Dusapin ◉ O. Neuwirth
Nachbemerkungen
Literaturverzeichnis
Sachindex
Personen- und Werkindex